Forschungsstand

Da BPAN erst 2012 entdeckt wurde, ist die medizinische Forschung noch ganz am Anfang. Bislang lassen sich nur einzelne Begleiterscheinungen wie die Epilepsie oder die Muskelschwäche symptomatisch behandeln. Erprobte Medikamente und therapeutische Anwendungen sind dafür die Mittel der Wahl. Eine Behandlung der Krankheit selbst – sowohl symptomatisch als auch ursächlich – oder gar eine Heilung sind noch nicht in Sicht.

Öffentlich geförderte Projekte

Derzeit konzentriert sich die medizinische Forschung auf die häufigeren Varianten von NBIA, meist PKAN. Einige Aspekte dieser Forschung kommen auch der Untersuchung von BPAN zugute. So konnte 2012 unter Leitung von Prof. Dr. med. Thomas Klopstock an der LMU München das internationale Projekt TIRCON durch eine EU-Förderung finanziert werden. Ein wichtiger Aspekt dieses Projekts ist die Erstellung eines internationalen Patientenregisters nebst Biobank. Insbesondere bei seltenen Erkrankungen ist es wichtig, die Verlaufsformen exakt zu dokumentieren. Die Biobank dient dazu, diese Informationen mit den genetischen Mutationen zu verknüpfen. Selbst die von BPAN Betroffenen haben alle leicht unterschiedliche Gendefekte. Erst durch diese Datenbank lassen sich Forschungsprogramme planen und die Wirksamkeit von zu testenden Medikamenten besser einschätzen.

Im Rahmen von TIRCON und anderen Forschungsprogrammen wurde ein bereits erhältlicher Wirkstoff Deferipron (Ferriprox) an PKAN-Patienten erprobt. Es wurde untersucht, ob dessen Eigenschaft, Eisen aus dem Körper abzuführen, auch den Ablagerungen im Gehirn entgegen wirkt. Die ersten Ergebnisse zeigen zwar, dass man erfolgreich überschüssiges Eisen aus den Gehirnzellen ausschleusen kann. Offenbar hat dies jedoch keinen signifikanten Einfluss auf den Gesundheitszustand der Patienten.

Die EU-Finanzierung für das TIRCON-Projekt ist seit 2015 beendet. Patientenregister und Biobank werden jedoch durch eine Finanzierung durch die NBIA Alliance weitergeführt und ausgebaut.

In München trugen weitere Wissenschaftler wie Dr. Arcangela Iuso vom Helmholtz-Zentrum an der TU München zur Erforschung von BPAN bei.

Wichtige Beiträge zur Erforschung von BPAN leistet Frau Prof. Dr. Tassula Proikas-Cezanne von der Abteilung für Molekularbiologie der Universität Tübingen. Sie hat das WDR45-Gen entdeckt und wichtige Erkenntnisse zur Funktion des von ihm kodierten WIPI4-Protein erzielt. Am 29. November 2019 wurde der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Sonderforschungsbereich (SFB) 1177 “Molecular and Functional Characterisation of Selective Autophagy” um weitere vier Jahre verlängert. Das Forschungsprogramm ist mit mehr als 12 Mio Euro dotiert. Innerhalb des Teilprojekts E03 “Molecular functions of WDR45/WlPI4 in ferritinophagy and neurodegeneration” unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Tassula Proikas-Cezanne wird das WIPI4-Protein und dessen Rolle für BPAN näher untersucht.

Inzwischen geht man davon aus, dass das Protein eine wichtige Rolle in dem Prozess der Autophagie spielt. Dieser läuft in allen Körperzellen ab und kann vereinfacht als das Recycling in den Zellen beschrieben werden. Nachdem die Erforschung von Behandlungsmöglichkeiten bezüglich häufigerer neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer, ALS oder Parkinson weitestgehend erfolglos verlief, wird eine Fehlfunktion der Autophagie auch dort als entscheidender Faktor angesehen. WIPI4 scheint bei der Bildung des Autophagosoms eine entscheidende Funktion zu haben. Dies sind Zellorganellen, die Zellmaterial aufsammeln, welches abgebaut werden soll.

Ein weiteres Zentrum für NBIA/BPAN-Forschung in Deutschland ist das Institut für Neurogenetik an der Universität Lübeck unter der Leitung von Prof. Dr. med. Christine Klein. Hier konzentriert man sich auf die Erforschung des Zusammenhangs zwischen Gendefekten und den beeinträchtigten Zellfunktionen.

Als eine der wichtigsten und aktivsten Forschungseinrichtungn in Sachen NBIA und BPAN hat sich die Oregon Health & Science University in Portland, Oregon, USA erwiesen. Hier sind insbesondere die Medizinerinnen Dr. Susan J. Hayflick und Dr. Allison Gregory zu nennen. Zurzeit arbeiten die Forscherinnen u.a. an verschiedenen NBIA-Verlaufsstudien und der Entwicklung eines BPAN-Mausmodells.

Spendenfinanzierte Forschungsprojekte

Darüber hinaus sind jedoch öffentlich geförderte Forschungsprogramme kaum vorhanden. Medizinische Forschung zu BPAN ist auf spendenfinanzierte Stipendien angewiesen, die derzeit überwiegend von Patientenorganisationen wie der NBIA Disorders Association  in den USA, AISNAF in Italien sowie Hoffnunsgbaum in Deutschland vergeben werden. In diesem Rahmen wurden in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt US$ 95,507 an die Universität von Pennsylvania für eine Verlaufsstudie von BPAN-Patienten vergeben. Mit weiteren US$ 50.507 wurde 2017 eine Forschungsarbeit von Prof. Hong Zhang von der University of Massachusetts Medical School zur Autophagie unterstützt. Diese Forschungsarbeit wurde zum Jahresbeginn 2019 mit einer Folgeförderung i.H.v. US$ 51.020 bedacht. 2018 wurden zwei weitere Stipendien von US$ 150.000 bzw. US$ 45.000 vergeben. Sie gehen an Dr. Young-Ah Seo der Universität Michigan und Dr. Mario Mauthe der Universität Groningen. Beide beschäftigen sich mit dem Zusammenhang von Autophagie, Eisenablagerung sowie den verschiedenen Variationen auf dem WDR45-Gen. Sie hoffen, einen Beitrag für zukünftige Therapien zu leisten. Im August 2019 wurde Dr. Lena Burbulla von der Northwestern University in Chicago, USA mit einer Förderung von € 65.000 für eine Laufzeit von 18 Monaten bedacht. Sie wird den Zusammenhang zwischen den Symptomen von BPAN und dem gestörten Eisenhaushalt in den Hirnzellen näher untersuchen.

Einige Forscher untersuchen zudem, ob bereits vorhandene Medikamente, die für die Behandlung von anderen Krankheiten zugelassen sind, auch eine therapeutische Wirkung im Fall von BPAN und anderen NBIA-Varianten haben können. Als Beispiel dient hier das spanische Braincure-Projekt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt ein Forschungsprogramm von Dr. Apostolos Papandreou am University College London, GB, das seit 2016 für vier Jahre mit £ 230.000 gefördert wird. Ende 2019 wurde bekannt, dass Prof. Paul Lockhart vom Murdoch Children’s Research Institute in Victoria, Australien, ein Stipendium in Höhe von US$61.245 als Kofinanzierung für eine vergleichbare Studie erhält.

Im Februar 2019 teilte die NBIA DA mit, dass ein weiterer Wissenschaftler für die BPAN-Forschung aktiv sein wird. Robin Ketteler vom University College London, GB, erhielt eine Forschungsförderung i.H.v. US$ 51,020. Sein Fachgebiet ist die Erforschung der Regelungsmechanismen der Autophagie. In diesem Video erklärt er seine Arbeit im Labor. Er leitet die Arbeitsgruppe, in der auch Dr. Papandreou tätig ist.

In den letzten Jahren und Monaten zeigen sich jedoch in der Behandlung anderer seltener Erkrankungen teils spektakuläre Erfolge durch Gentherapien. Insbesondere die CRISPR/Cas9-Methode, auch Genschere genannt, ermöglicht der medizinischen Forschung und der Entwicklung von Behandlungen bislang ungeahnte Fortschritte. Inzwischen spezialisieren sich einige Pharmaunternehmen geradezu auf die Entwicklung von Wirkstoffen für seltene Krankheiten. Solche Ansätze könnten auch für die Behandlung von BPAN sehr interessant sein. Typischerweise handelt es sich bei dem Gendefekt, der BPAN auslöst, um eine Fehlkodierung des WDR45-Gens an nur einer Stelle. Im Jahre 2017 entwickelten Forscher eine Methode, mit der sich einzelne Bausteine des Gencodes austauschen lassen, ohne dass das Genom aufgetrennt werden muss. Sollte sich diese Prozedur eines Tages für medizinische Zwecke nutzen lassen, wären wir der Heilung von BPAN möglicherweise einen großen Schritt näher.

Dies alles zeigt, dass derzeit mehrere Wege in der medizinischen Forschung zu BPAN beschritten werden. Momentan sind wir noch ganz am Anfang und betreiben Grundlagenforschung. Obwohl man schon grob absehen kann, in welche Richtung die Forschung sich entwickelt und weiter entwickeln muss, behindert vor allem die mangelnde Finanzierung den Fortschritt.