Barrieren im Kopf
Was guckst du?
Es gibt auch die unausgesprochenen Worte, nämlich Blicke. Wir besuchten im letzten Urlaub am Bodensee die Stadt Meersburg. Milly genoss den Spaziergang durch die schöne Altstadt und entlang der Promenade, ich hatte nur Augen für den glitzernden See. Markus nahm aber etwas ganz anderes wahr. Am Abend fragte er mich, ob mir auch aufgefallen wäre, dass die Leute Milly alle so angeglotzt hätten. Ich achte grundsätzlich gar nicht mehr darauf, ob Leute uns anschauen oder nicht. Ich gehöre auch nicht zu den Müttern, die das als anmaßend oder nicht angebracht empfinden. Ich gehe entspannt damit um und sehe erstmal das Positive, nämlich Interesse. Ignoranz fände ich viel schlimmer. Und wenn ein ziemlich großes Kind in einem ziemlich großen Buggy sitzt und dazu noch an ihrem ziemlich sichtbaren Nucki tuscht, dann wird man sich ja noch mal fragen dürfen, was mit dem Kind los ist. Also schaut man hin. Mache ich übrigens auch, wenn mir schwerbehinderte Menschen begegnen. Mich interessieren allerdings eher die Hilfsmittel. Ich schaue, was es für Einschränkungen gibt und wie die hilfsmitteltechnische Lösung aussieht. Oft will ich dann auch nicht zu lange schauen, da das dann wirklich noch als Glotzen empfunden werden kann. Bin ich aber mit Milly im Rolli unterwegs, schaue ich schon mal länger hin, in der Hoffnung, dass mir dann mehr Verständnis entgegenschlägt. Wohl fühle ich mich dabei aber auch nicht, da ich eben nicht sicher sein kann, wie entspannt Betroffene und/oder deren Angehörige damit umgehen.
Ich selber möchte das Starren auf Menschen mit Behinderungen nicht als „Glotzen“ verteufeln, das klingt mir viel zu sehr nach Vorwurf. Die Gründe des „Starrens“ können vielfältig sein: Interesse, Sensationsgier, Abscheu, Mitleid und dergleichen mehr. Aber woher will ich wissen, was die Leute beim Anblick von Milly denken? Also sollen sie ruhig schauen. Sie erblicken in jedem Fall ein zufriedenes, süßes, kleines, blondes und pausbackiges Mädchen. Allein dafür hat sich der Anblick schon gelohnt.